Pelewins „Tolstois Albtraum“: Rezension
Hallo, ihr Lieben!
Jetzt schaffe ich es ja endlich auch mal wieder, einen Beitrag zu schreiben, nachdem ich mit meiner Facharbeit zur Hälfte fertig und somit erstmal beruhigt bin…Vor einiger Zeit hatte ich ja schon anklingen lassen, dass mich „Tolstois Albtraum“ ziemlich an meine eigene Geschichte erinnert – zwischenzeitlich hatte sich das ein wenig geändert, aber alles in allem sind die Ideen doch recht ähnlich… So, jetzt aber erst einmal zum Roman!
Erscheinungsjahr: 2009
Autor: Viktor Pelewin
Genre: Roman
Verlag: Random House GmbH
Land: Russland
Hauptfigur ist der durchtrainierte Kampfkunstmeister Graf T. – natürlich eine Anlehnung an den berühmten russischen Autoren Lew Tolstoi – der in der Anfangsszene gemeinsam mit dem Geheimpolizist Knopf im Zugabteil sitzt und die ganze Zeit versucht, Optina Pustyn zu erreichen, offenbar eine heilige Stätte, von der niemand so genau weiß, was sie eigentlich ist… Dann begegnet T. auch noch dem kabbalistischen Dämon Ariel, der sich als dessen Schöpfer herausstellt und alle Handlungen T.s zu lenken scheint. In Wirklichkeit, so stellt sich heraus, ist Ariel Edmundowitsch Brahman ein armer Schreiberling, ein Autor in einem gemeinsamen Schreibprojekt, das im profitgeilen 21. Jahrhundert nur darauf aus ist, die Neigungen der Leser zu befriedigen und so schnell wie möglich ganz viel Geld aus der Geschichte um Graf T. zu machen. Kurzerhand eröffnet Ariel T. mit einem Mal, das Buchprojekt sei gescheitert, die Geschichte und somit auch alle Buchfiguren müssten verworfen werden und ein neues, vermutlich erfolgreicheres Projekt werde bald gestaltet (ein Computerspiel, in dem man in der Rolle Dostojewskis Zombies töten und ihnen im Nachhinein die Seelen aussaugen muss :p ). Aber ist Ariel wirklich der Schöpfer von Graf T. und dessen Welt? Oder ist die Geschichte vielleicht doch eine ganz andere, als gedacht? Und was genau hat es jetzt eigentlich mit diesem Optina Pustyn auf sich?
Jetzt zu meiner Bewertung… Den Anfang des Buches fand ich so genial, dass ich sofort dachte, „Tolstois Albtraum“ werde mit Sicherheit mein neuer Lieblingsroman. Diskurse zwischen den Protagonisten und Erklärungen über die Welt und ihre Schöpfung waren teilweise auf wirklich angenehme Art und Weise philosophisch und haben mich zum Nachdenken angeregt, fast das gesamte Buch ist absolut skurril (am Ende dann fast schon ein bisschen zu sehr) und abenteuerliche Szenen, in denen Graf T. mit seinem gewaltlosen Widerstand gegen das Böse gegen seine Widersacher kämpft, waren spannend und gut, obwohl diese „Kampfkunstart“ mich stutzig machte, weil sie darin besteht, dass T. laut „Achtung!“ ruft, bevor er einen Angreifer umbringt – besonders gewaltlos finde ich das ja nicht, aber na gut… Die Idee mit einem Schriftsteller, der nur aus Profitsucht eine Geschichte schreibt, hat mir auch ziemlich gut gefallen.
Und dann, irgendwo in der Mitte des Buches, wurde es mir dann doch zu abgedreht und düster. Das ist eben die Stelle, wo Graf T. irgendwie (fragt mich nicht, wie, ich habe das echt nicht verstanden!) in das in einer Endzeitstimmung spielende Computerspiel des Seelen aussaugenden Dostojewski gerät. Allein diese Vorstellung von einem feuchten, mit Graffitis besprühten Petersburg, fand ich schrecklich. Die Stadt ist vollkommen unbewohnt, abgesehen von den Zombiekarawanen, denen Dostojewski außerdem Vodka und Wurst abnehmen muss, um zu überleben. Dann ist da irgendwie noch ein Freund Dostojewskis, in einer trostlosen dunklen Wohnung, den Graf T. und gleichzeitig ein paar militante Mönche mit Gewehren besuchen. Weil die Mönche sich zu bedrohlich gebaren, muss Graf T. sie mit seinem gewaltlosen Widerstand gegen das Böse mit einer Bombe in die Luft jagen…
Schließlich, denn in der Mitte ist Pelewin ziemlich abgedriftet und meiner Meinung nach zu sehr vom Thema abgekommen, wendet sich das Buch wieder, langsam wird der Faden wieder aufgerollt und gegen Ende wird es dann wieder zusehends besser. Die Frage ist, ob Ariel wirklich der Autor der Geschichte ist, oder ob Graf T. nicht doch noch die Macht über sich selbst hat… Darum geht es nämlich gegen Ende – ein guter Abschluss, wie ich finde, obwohl die Geschichte mit Optina Pustyn leider trotzdem nicht besonders klar wird… Falls ihr euch fragen solltet, was denn zum Teufel dieses Pferd auf dem Cover zu bedeuten hat: Von einem Mutterkorn ziemlich high halluziniert Graf T. und in diesem Traumzustand rät ihm das Pferd, sich die Geschlechtsteile zu verstümmeln, nachdem er mit einem jungen Mädchen geschlafen und sich deswegen (warum auch immer) Vorwürfe gemacht hat.
Alles in allem ein wirklich gutes Buch! Leider – oder zum Glück, ich weiß es nicht so recht – aber auch eins, das man sicher mehrere Male lesen muss, um es zu verstehen. Ich für mein Teil bin an vielen Stellen noch ziemlich ratlos und der düstere Mittelteil hat bei mir, wie gesagt, ein ziemlich schlechtes Gefühl hinterlassen. Insgesamt ist „Tolstois Albtraum“ aber wirklich spannend und interessant und auf jeden Fall wärmstens zu empfehlen!
Viel Spaß beim Lesen und bis bald, eure Vi
– Spannung: 3
– gute Handlung: 4
– guter Schreibstil: 5
– Action: 4
– Humor: 3
– Tiefe: 5
– Romantik: 0
– Grusel: 2
Meine Gesamtwertung: 4,5 Sterne




